Im Schloss Staufenberg bei Durbach lebte vor vielen Jahren einmal ein

Amtsmann, dessen Sohn als Vogelsteller arbeitete. Jeden Morgen zog dieser aus,

auf der Suche nach einem besonders sch?nen gefiederten Freund. Als Sebald, so

der Name des Jünglings, eines Tages wieder unterwegs war, h?rte er ein

liebliches Singen, das ihn sofort faszinierte.

Er erblickte in einem Busch aber keinen Vogel, sondern ein bildhübsches

M?dchen, das ihn flehend anschaute.

?Ich warte schon so lange auf dich“, sagte die sch?ne Ungekannte. ?Ich bin

verwunschen und nur du kannst mich retten. Du musst mich nur dreimal dreifach

küssen.“ Nichts leichter als das, dachte sich Sebald, der das M?dchen sofort

nach seinem Namen fragte. ?Ich hei?e Melusine“, sagte die junge Frau, ?und ich

habe einen gro?en Brautschatz. Wenn du mich erl?st, dann werde ich als deine

Frau meinen Reichtum mit dir teilen.“

Melusine war derweil aus dem Gebüsch gekommen und da erkannte der Jüngling,

dass sie nicht nur wundersch?n war, sondern statt der Beine einen Fischschwanz

und statt der Finger trichterf?rmige H?hlungen an den H?nden hatte. Natürlich

erschrak er ein wenig, aber der Liebreiz dieses blonden M?dchens mit dem sch?nen

Antlitz zog ihn magisch an.

Sofort küsste er sie, so wie sie ihm gesagt hatte auf beide Wanden, dann

auf den Mund. Und er versprach, auf jeden Fall am n?chsten Morgen

wiederzukommen.

Und so stand der junge Mann an n?chsten Tag zur gleichen Zeit am gleichen

Ort. Doch dieses Mal erschien das M?dchen mit einem Drachenschweif dort, wo

andere Menschen ihre Beine haben, und mit Flügeln anstelle von Armen und H?nden.

Natürlich wunderte sich der Jüngling sehr über das ver?nderte Bild der jungen

Frau, doch ihr Gesicht war noch ebenso sch?n wie am Tag zuvor. Also küsste er

sie, so wie sie ihm gesagt hatte: Zwei Küsse auf die Wangen, dann ein Kuss auf

den Mund.

Auch am dritten Morgen tauchte Sebald, der junge Vogelsteller, wieder am

verabredeten Ort auf. Doch dieses Mal konnte er sich nicht überwinden, die

?Sch?ne“ zu küssen. Denn die trug nun einen h?sslichen Kr?tenkopf und der

Drachenschwanz umschlang ihn sogleich, so dass er kaum noch Luft bekam. Doch er

wollte es nicht unversucht lassen: ?Ich kann dich nur küssen, wenn du wieder

dein menschliches Gesicht annimmst“, sagte er. Da schrie Melusine aus vollem

Herzen: ?Nein.“ Und als sie Sebald ganz umschlingen wollte, floh er aus dem Wald

und kehrt dorthin nicht zurück.

Zwei Jahre sp?ter wurde Hochzeit auf Schloss Staufenberg gefeiert. Sebald

nahm die Tochter des Amtsvogts seines Vaters zur Frau, die Hochzeit wurde gro?

gefeiert. An das M?dchen im Wald hatte er schon lange nicht mehr gedacht. Als

die G?ste alle fr?hlich beim Essen sa?en, fiel unbemerkt ein Tropfen von der

Decke auf Sebalds Teller. Er aber hatte nichts davon bemerkt und a? sein Mahl

unbeirrt weiter. Und starb noch w?hrend des Hochzeitessens an der festlich

gedeckten Tafel.

An der Decke des Saales aber zog sich ein Schlangenschwanz in seine

Behausung zurück.

So r?chte sich Melusine an dem Mann, der ihre Rettung h?tte sein k?nnen,

auf grauenvolle Weise.