Seit Wochen schon war Mutter eifrig am Backen, Kochen, Stricken, N?hen und

Putzen. Meine Puppe verschwand auf unerkl?rliche Weise, und Schranktüren waren

pl?tzlich ohne Schlüssel.

Jeden Sonntag musste ich das verhasste blau-karierte Kratzwollkleid

anziehen, das Gott sei Dank mir schon fast zu klein war.

Doch seit neuestem ging ich sogar im Kratzkleid gerne in die Kirche. Denn

am Opferstock war die Figur eines schwarzen Kindes aufgestellt, und wenn man

mindestens einen Zehner einwarf, nickte es mit dem K?pfchen.

Als selbst meiner Mutter, die sonst gerne für die Mission gab, die Bitte

nach Zehnern zu viel wurde, bediente ich mich an ihrer Knopfschachtel.

Das ging auch zwei Adventssonntage gut, dann stand der Kirchendiener Wache

am Opferstock, wohl um den Frevler zu überführen. Und so lie? ich Mutters beste

Kostümkn?pfe lieber in der Tasche des Kratzkleides.

Dann kam der Heilige Abend. Es roch nach dem Karpfen, der so sch?n in der

Badewanne geschwommen war und nach Mutters Kartoffelsalat. Der war aber leider

ohne Speck, um dem Herrgott zu gefallen.

Nachdem die Weihnachtsgeschichte vorgelesen war und alle Lieder gesungen,

durfte ich endlich meine Geschenke auspacken.

Ich l?ste die Verpackung des gr??eren P?ckchens (Geschenkpapier und Band

mussten immer zwei Jahre benutzt werden) und dann brach ich in Tr?nen aus. Das

P?ckchen enthielt ein neues, zwei Nummern gr??eres Kratzkleid, anstatt blau- nun

rot-kariert.

Ich tr?stete mich aber sofort damit, dass ich noch ein weiteres P?ckchen

zum Auswickeln hatte. Doch dann traf mich der Schmerz noch heftiger. Da lag

meine Puppe, die ich schon seit Wochen vergeblich gesucht hatte, im gleichen

neuen, rot-karierten Kratzkleid.

Gott sei Dank wuchs ich so schnell, dass ich das Kleid nicht allzu lange

anziehen musste und Mutter hatte auch Erbarmen mit der Puppe und n?hte ihr was

aus Baumwolle.